„Wie Nationalsozialistisch waren die Deutschen?“

Tagung in der Evangelischen Akademie Tutzing am 9.-11.12. 2011


Programmflyer (PDF)

Das NS-Regime war auf die Loyalität und Mitarbeit der Bevölkerung angewiesen. Den Beitrag der großen Mehrheit der Deutschen zum Funktionieren des Regimes zu untersuchen, fällt angesichts des Ausmaßes der NS-Verbrechen immer noch schwer. Die Einschätzung der Art und Tiefe der Bindung an den Nationalsozialismus wirft auch für die Kinder und Enkel der „Volksgenossen“ emotionale und moralische Probleme auf.

In der Forschung zur Motivbasis des Nationalsozialismus zeigen sich große Differenzen: Machten sich die meisten Deutschen den rassischen Antisemitismus der Nazis zu eigen? Standen sie den genozidalen Plänen des Regimes zustimmend oder distanziert gegenüber? Wie wichtig waren Führerkult und Inszenierungen der Volksgemeinschaft? Welche Bedeutung kam psychischen Motiven wie Größenvorstellungen, Rachewünschen, Gewaltfaszination, narzisstischen Gratifikationen zu? Erklärt sich die Akzeptanz der Ideologie und der Politik aus einer eher oberflächlichen Mobilisierung, aus opportunistischer Vorteilsannahme, aus resignierter Unterwerfung, aus Nationalstolz? Oder waren die Menschen durch den Nationalsozialismus psychisch so stark geprägt, dass diese dentifikationen auch nach 1945 weiterwirkten und sogar auf die nachfolgenden Generationen übertragen wurden?
Bis in die Gegenwart sind die Debatten über Motive und Ausmaß der (Mit-)Täterschaft von starken Emotionen und moralischen Verurteilungen geprägt. Das gilt selbst für die wissenschaftlichen Auseinandersetzungen. Dem massiven Vorwurf, die Verbrechensbeteiligung zu verharmlosen oder zu entschuldigen, steht der Vorwurf einer Preisgabe wissenschaftlicher Standards zugunsten des moralischen Rundumschlags gegenüber.

Auf der Tagung wollen wir mit Hilfe einer durchgehenden Prozess-Beobachtung versuchen, die sicher auch dort aufkommenden Emotionen zu reflektieren.